Seit den Nachwirkungen der Australienreise trage ich einen Glucosesensor. Dieser ist etwa so groß wie eine kleine Münze, wiegt kaum etwas, und enthält die komplette Elektronik, Stromversorgung und Messfühler. Er muss nur alle 14 Tage durch einen neuen ersetzt werden, was trivial ist. Und ich muss sagen, dass der Sensor mein Leben mit Diabetes 2 extrem zum Positiven verändert hat!

Der Sensor

Der Sensor. Der Klebestreifen zieht mit der Zeit Staub an.

Der Sensor misst jede Minute den Blutzuckerspiegel1 und überträgt diese per Bluetooth an einen entsprechendes Smartphone (mit passender App) oder an ein separates Lesegerät2. Bei Unter- oder Überschreiten bestimmter Grenzwerte wird vom Handy oder Lesegerät ein Alarm ausgelöst, ebenfalls wenn eine Zeit lang keine Verbindung zum Sensor möglich ist. Der Sensor selbst speichert die Werte bis zu 24h, so dass bei Verbindungproblemen oder abgeschalteten Handys kein Wert verloren geht. Der Sensor ist wasserdicht, so dass Duschen, Baden oder Schwimmen kein Problem darstellt. Der Sensor ist so klein dass er wirklich nicht stört und nicht bemerkbar ist.

Das Anbringen ist trivial: Der Sensor selbst befindet sich in einer Art Hülle. Nachdem die Stelle am Oberarm3, auf den der neue Sensor aufgebracht werden soll gereinigt und desinfiziert wurde, wird diese “Hülle” feste auf die Stelle gedrückt, worauf sich mithilfe einer Feder o.ä. der eigentliche Sensor aufgebracht wird und dank Klebeband auch gut hält. Die Hülle wird vorsichtig entfernt und das Teil ist bereit via Bluetooth gekoppelt zu werden. Ganz einfach. Nach einer Stunde nach Kopplung liefert der Sensor dann Daten.

Die App

Die App unter Android. Der Anstieg war bedingt durch Orangensaft beim Frühstück

Ich benutze sinnvollerweise mein Smartphone zum Auslesen/Auswerten der Daten. Ich habe zwar noch das separate Lesegerät, aber noch gar nicht ausgepackt. Wozu auch mit zwei Geräten - das Smartphone habe ich sowieso immer dabei - herumlaufen?

Die App zeigt neben dem aktuellen Glukosewert auch ein Diagramm, der letzten zwölf Stunden, es lassen sich natürlich die Diagramme der letzten Tage abrufen wie diverse Statistiken und Auswertungen. Die Daten gehen - sofern man möchte - per Internet an den Hersteller und erlauben dort eine noch genauere Auswertung - das PDF was sich erzeugen lässt hat über 24 Seiten!

Auf diese Daten - nachdem ich zugestimmt habe - hat auch meine Diabetologin Zugriff, was so einiges vereinfacht4.

Die App lässt sich auch als eine Art Tagebuch nutzen, man kann eintragen wenn man was gegessen hat, wenn man Sport gemacht hat usw.

Meine Erfahrungen

Meine Erfahrungen sind sehr, sehr gut. Als IT’ler bin ich ja die Konzepte “Monitoring” und “Trending” gewohnt, nur dass es sich hier um Glucose und nicht um CPU/RAM handelt 😉

Positiv

Das ganze Leben mit Diabetes 2 hat sich dadurch verändert: Ich sehe sofort wie sich Bewegung, Lebensmittel, Stress, Krankheiten etc. auf den Zuckerspiegel auswirken. Ich sehe anhand des Diagramms ob der Blutzuckerspiegel steigt, sinkt oder gleichbleibt und kann dementsprechend mich besser darauf einstellen, ob - und was - ich essen kann/sollte oder ob ich Insulin brauche. Beim Messen via Stechen bekommt man nur einen momentanen Wert ohne zu wissen/zu ahnen ob der Blutzuckerspiegel gerade (vielleicht sogar massiv) steigt oder fällt.

Es ist auch interessant zu sehen welches Lebensmittel welche Auswirkungen hat. Dafür gibt es natürlich Tabellen/Informationen, aber es ist ein Unterschied etwas theoretisch zu wissen und tatsächlich die Auswirkungen anhand der Werte quasi in Echtzeit zu sehen - und das abhängig von allen möglichen Faktoren wie Bewegung, wie gut man geschlafen hat usw. All dies können punktuelle Messungen und theoretisches Wissen nicht leisten.

Negativ

Es gibt den ein oder anderen Bug:

  • Prinzipiell hinkt der Wert dem tatsächlichen Blutzuckerwerte immer so 15 Minuten hinterher. Das liegt daran dass der Sensor nicht den Blutzucker misst, sondern Gewebeflüssigkeit in den Zellen. Und deshalb gibt es einen zeitlichen Versatz bis der Zucker dort angelangt oder abgebaut ist.
  • Ab und an hält der Sensor nicht mehr richtig und muss vorzeitig ausgetauscht werden. Dies geht kostenfrei via Hersteller. Das gleiche gilt wenn der Sensor aus welchen Gründen auch immer plötzlich nicht mehr funktioniert, was mir auch schon zwei mal passiert ist.
  • Ich habe die Erfahrung - vor allem am Anfang, mittlerweile kaum noch - gemacht dass ein neu angebrachter Sensor falsche Werte misst, das ergibt sich dann nach einigen Stunden.
  • Nachts kann es passieren dass es einen Alarm wegen zu niedrigem Blutzucker gibt, dieser war bislang immer ein Fehlalarm Da für gibt es Erklärungen, die zu weit führen würden.
  • Es ist deshalb ab und an angebracht - besonders bei niedrigen Zuckeralarmen - die Werte durch konventionelles Messen via Blut zu kontrollieren.
  • Die App ist, wenn man etwas eintragen möchte, teilweise unglaublich langsam und erinnert dann an Flightsimulator II auf dem C64 😴

Fazit

Ich möchte das System nicht mehr missen. Man lernt schnell mit der einen oder anderen kleinen Macke umzugehen wenn sie mal auftritt, ansonsten ist das Teil ein erstaunlicher Fortschritt. Es ermöglicht einen komplett neuen und entspannten Umgang mit Diabetes 2, quasi via Feedback Ich sehe sofort - genauer im Abstand von etwa 15 Minuten - was welche Auswirkungen hat und weiß das dann und kann mich darauf einstellen. Und das alles in einem Gerät was kleiner ist als eine Münze. Beeindruckend.

Footnotes

  1. Nicht direkt, dazu später mehr

  2. Beides geht nicht, jeder Sensor lässt sich nur einmal mit genau einem Gerät koppeln

  3. Die Sensoren, die ich nutze, sind nur für Oberarm zertifiziert.

  4. Auch wenn sie ab und zu Probleme hat mit dem Zugang